ENERGIEregion Nürnberg e.V.
05.11.2021

Das Energiejahr startet mit Wasserstoff

"Kompetenzen aus der Region für eine nachhaltige (Energie-)Zukunft": Unter diesem Motto steht das "Energiejahr" von ENERGIEregion Nürnberg e.V., Energie Campus Nürnberg und NKubator. Und weil Wasserstoff weltweit, aber ganz besonders auch in Nordbayern ein brandheißes Thema ist, haben die "Energiejahr"-Organisator*innen die erste Veranstaltung dem Zukunftsthema Wasserstoff gewidmet.


Moderator Dr. Alexander Buchele (EnCN) diskutierte mit Prof. Dr. Peter Wasserscheid (FAU|HI ERN, li.) und Dr. Patrick Fleischer (N-ERGIE) über die Rolle von Wasserstoff in Bayern und der Metropolregion Nürnberg. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch

"Wir wollen aufzeigen, welche Bedeutung Wasserstoff für Bayern und die Metropolregion bekommt": So hatte Simon Reichenwallner, Netzwerkmanager des ENERGIEregion Nürnberg e.V., die Aufgabe der Veranstaltung umrissen. Dass dazu online "so viele Akteure, Pioniere und Interessierte zusammengekommen sind", freute auch Roland Weigert. In seinem Grußwort nannte der Staatssekretär im Bayerischen Ministerium für Wirtschaft und Energie als "Ziel der Bayerischen Wasserstoffstrategie: Wir wollen weltweit Maßstäbe setzen über die ganze Wertschöpfungskette. Wir wollen vielversprechende Technologien rasch zur Anwendung bringen, damit Wasserstoff eine energie- und industriepolitische Erfolgsgeschichte wird."

Auf diesen Weg hat sich die ENERGIEregion schon vor 20 Jahren gemacht – auch beim Wasserstoff (H2). Weshalb Prof. Dr. Peter Wasserscheid "die Rolle der Wasserstoff-Technologien von hier weit über Bayern hinausgehend" beschrieb. Für den Wissenschaftler, unter anderem Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts HI ERN und Vorstand im Zentrum Wasserstoff.Bayern H2.B, ist "Wasserstoff unstrittig für die Langzeitspeicherung geeignet, wichtig für die Dekarbonisierung der Stahl- und Chemieindustrie, aber auch für große Fahrzeuge". Dagegen mache "ein Wasserstoff-Antrieb im Fahrrad oder Rasenmäher keinen Sinn. Die Technologien stehen nicht in Konkurrenz zueinander, es gibt Anwendungsmöglichkeiten für alle", merkte der Erlanger Uni-Professor mit Blick auf heftige Diskussionen an, ob zum Beispiel die Antriebe künftiger Automobile besser aus Batterien oder mit H2-Brennstoffzellen stromversorgt werden.

Er sprach sich auch für den Import von Wasserstoff aus, "erzeugt mit erneuerbaren Energien, die am besten dort geerntet werden, wo wenig verbraucht wird und viel Sonne und Wind vorherrscht". Für den Transport sei neben anderen auch die maßgeblich in Erlangen mitentwickelte LOHC-Technologie (Liquid Organic Hydrogen Carrier) bestens geeignet, so Prof. Wasserscheid.

Moderator Dr. Alexander Buchele (EnCN). Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Prof. Dr. Peter Wasserscheid (FAU|HI ERN) ging in seiner Keynote auf Wasserstofftechnologien ein. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Dr. Patrick Fleischer (N-ERGIE) im Dialog. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Die Veranstaltung fand im Energie Campus Nürnberg statt und wurde live via Zoom gestreamt. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch

Im folgenden Dialog stimmte Dr. Patrick Fleischer, beim nordbayerischen Energiekonzern N-ERGIE für die Strategische Unternehmensentwicklung zuständig, dem Forscher ausdrücklich zu: "Wir brauchen einen Mix der Energieformen", legte Prof. Wasserscheid den Finger in die Wunde der Politik: "Erst seit zweieinhalb Jahren wird Wasserstoff intensiv diskutiert. Es wurde zu lange zu stark auf Erzeugung und Verbrauch geschaut, aber zu wenig auf Logistik und Speicherung. Wir müssen nun dringend die Wertschöpfungsketten schließen."

Dr. Fleischer wiederum stellte klar: Gäbe es genügend Wasserstoff, könnte für dessen Transport die vorhandene Gas-Infrastruktur wesentlich stärker genutzt werden. "Die Leitungen an sich können mehr H2-Beimischung vertragen als man glaubt."

Fränkisch-thüringische Energiekompetenz
 

Dafür gibt es ja sogar das HySon in Sonneberg im Thüringer Arm der Metropolregion Nürnberg. An diesem Institut wird laut Dominik Jankowski "die praxisnahe Anwendung von Wasserstoff-Technologien erforscht", und zwar mit Hilfe einer dort bereits bestehenden H2-Infrastruktur. Unter anderem werden Beschichtungsverfahren für den Wasserstoff-Transport entwickelt und geprüft – auch für bestehende Gas-Leitungssysteme beispielsweise.

HySon ist aber nur ein Grund, warum Simon Reichenwallner die Frage, "wo steht die Metropolregion Nürnberg eigentlich bei der Wasserstoff-Technologie im Vergleich zu anderen aktuell?", so beantwortet: "Bei der Forschungsdichte liegen wir auf Platz zwei in Deutschland." 13 Unis, Hochschulen und Forschungseinrichtungen seien hier aktiv, sehr viele Wasserstoff-Projekte und Modellregionen gebe es hier, und über 50 Unternehmen, die "an neuen Technologien und Lösungen für die Wasserstoffwirtschaft tüfteln". Inzwischen habe sich hier hy+ etabliert, die "Wasserstoff-Metropolregion Nürnberg", deren Koordinierungsstelle an der ENERGIEregion als zentrale Informationsplattform agiere. Auch für potenzielle H2-Firmen natürlich.

Hohes Firmenengagement
 

Simon Reichenwallner (ENERGIEregion Nürnberg e.V.) stellte unter anderem das Projekt Wasserstoff-Metropolregion Nürnberg hy+ vor. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Moderatorin Ines Eichmüller (ENERGIEregion Nürnberg e.V.). Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Präsentation von Dr. Florian Gruschwitz (MAN Energy Solutions). Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Dr. Patrick Preuster (HI ERN) beleuchtete in seinem Fachvortrag das Potenzial der LOHC-Technologie für den Bahnverkehr. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch
Peter Stadthalter tüftelt mit seinem Start-Up PS-HyTech an wasserstoffbasierten Elektroantrieben für Kleinflugzeuge. Foto: ENERGIEregion/Christian Hiemisch

MAN Energy Solutions ist ein Unternehmen, das sich bereits dem Thema "Grüner Wasserstoff" (GH2) verschrieben hat. Für Dr. Florian Gruschwitz, dort im Business Development tätig, kann grüner Wasserstoff aber nicht nur in Gasform, sondern auch als flüssiges "E-Fuel oder Derivat" genutzt werden. "Denn bei der GH2-Ökonomie sind drei Gruppen zu beachten: Die Produktion, der Transport und die Anwendung. Man muss die Anwendungsfälle auf groß skalieren", nannte Gruschwitz als wesentliche Voraussetzung für jede wirtschaftliche Wasserstoff-Anwendung. Aber zuvor müsste der deutsche Rechtsrahmen für alle Power-to-X-Produkte angepasst werden, mahnte er die Politik.

Dr. Patrick Preuster vom fränkischen Helmholtz-Institut HI ERN konzentrierte sich auf die Anwendung von LOHC für künftige Schienenfahrzeuge mit Brennstoffzellen-Elektro-Antrieb. "Wir arbeiten an einem Demonstrator auf einer mobilen Plattform": ein Güterwagen, auf den Container mit der notwendigen Peripherie gestellt werden können. Das Ziel: "Eine Rangierlok mit 300 kW elektrischem Antrieb und 150 kW zusätzlichem Leistungsbedarf zu versorgen." Der Einsatz der Plattform mit der Rangierlok – geplant ist er für 2023 – wird zeigen, ob die Annahmen richtig sind.

Ebenfalls 2023 soll ein elektrisch angetriebenes Kleinflugzeug in die Luft gehen, in dem ein kugelförmiger H2-Drucktank die Versorgung einer 20-kW-Brennstoffzelle innehat. Die Entwicklung stammt von Peter Stadthalter, Geschäftsführer der PS-HyTech GmbH aus Burghaslach; er arbeitet mit Partnern aus dem Flugzeugbau und der Hochschule Würzburg-Schweinfurt zusammen. "Für Rettungsdienste, Landwirtschaft, Naturschutz" sei der "alltagstaugliche" Ultraleicht-(UL-)Flieger gedacht.

Doch grüner Wasserstoff sei nur ein Baustein, um den menschgemachten Klimawandel in den Griff zu bekommen. "Denn es geht um das vollständig defossilisierte Energiesystem der Zukunft." Prof. Wasserscheid hegt aber große Zweifel, ob es zu schaffen sei, den hiesigen CO2-Ausstoß bis 2030 auf Null zu drücken – dann sind nämlich rechnerisch die uns Deutschen eigentlich zugestandenen Treibhausgasemissionen bereits in der Luft: "Um bis 2030 fertig zu sein, hätten wir 1990 anfangen müssen."

Dennoch machten die in der ersten Veranstaltung gezeigten Ansätze Appetit auf die nächste der Energiejahr-Reihe: "Energiesysteme und Nachhaltigkeit" kündigte Dr. Alexander Buchele, Geschäftsführer des Energie Campus Nürnberg EnCN, als deren Inhalt an.

Die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung mit allen Vorträgen finden Sie hier. Alle Hintergründe zu unserem "Energiejahr" gibt es unter energiejahr.de.

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